DIE CHRONIK UNSERER GEMEINDE

DIE ALTE KIRCHE

 

Dies war Ende April im Jahr 1965 der Anblick der neuen evangelischen Andreaskirche in Coerde. Der schlichte Holzbau in Fertigbauweise wurde in nur drei Monaten im schnell wachsenden Stadteil an der Breslauer Straße errichtet und Anfang Mai eingeweiht. Bis zur Fertigstellung des Gemeindezentrums mit Kirche im Jahr 1982 blieb diese „Notkirche“ bestehen und wurde danach sogar als Kirche St. Benedikt in der Waldwegsiedlung in Mecklenbeck ein zweites Mal aufgebaut.                                                 (Stadtmuseum Münster, Dr. Axel Schollmeier)

 

DER KINDERGARTEN


Wichtiger als eine große Kirche war der evangelischen Kirchengemeinde in Münster-Coerde der Bau eines Gebäudes für den Kindergarten. Anfang Januar 1968 war der Rohbau an der Breslauer Straße schon weit fortgeschritten, so dass Mitte September bereits die erste Gruppe den Neubau in Beschlag nehmen konnte. Die Kirche blieb noch mehr als ein Jahrzehnt ein Barackenprovisorium. Erst 1982 wurde die neue Andreaskirche mit Gemeindezentrum fertiggestellt.                                                                                                (Stadtmuseum Münster, Dr. Axel Schollmeier)

DAS HAUS DER OFFENEN TÜR FÜR DIE JUGEND (HOT)

 

Als ersten Bauabschnitt eines neuen Gemeindezentrums wurde am achten Sonntag nach Trinitatis, dem 12. August 1973 der Grundstein für das "Haus der offenen Tür" für die Jugend in dem jungen Stadtteil Coerde gelegt, entworfen von dem bekannten Architekten Lothar Kallmeyer. Die Einweihung fand dann gut ein Jahr später, am 13. Oktober 1974 statt.

DIE NEUE KIRCHE

ARCHITEKTUR

Für sein Wohnzimmer fand der Architekt Lothar Kallmeyer eine bestechende Lösung: die Kuhle. In einem offenen Raum führen einige Stufen tiefer zu Tisch und Sesseln – perfekt zum Klönen, Dösen und Schmökern. Im Norden von Münster baute Kallmeyer ebenfalls eine Kuhle für unsere evangelische Andreas-Kirchengemeinde. Im großzügigen Hauptraum des Zentrums ist die „tiefergelegte“ Kuhle vor dem Altar offen für die private Andacht, das Abendmahl oder ein Konzert. Der liturgische Kern wird zum Dreh- und Angelpunkt aller gemeindlichen Räume und Veranstaltungen.

Letztlich profitierte die Gemeinde von der ungewollt langen Warte- und Bauzeit. Seit 1968 improvisierte sie in einer damals bestehenden Kirchenbaracke mit verschiedenen Veranstaltungsformen. Diese Offenheit übertrug sie auf die 1982 eingeweihte Andreaskirche: Lässt sich das Zentrum grundsätzlich durch Schiebewände und Raumteiler untergliedern, funktioniert es doch ebenso gut als Ganzes. Wenn im Gemeindesaal eine politische Diskussion oder auf der Bühne eine Konfirmandenstunde stattfindet, bleibt die Kuhle dann immer im Bewusstsein, bleibt der Ort immer (auch) Kirche. Eine Lösung, die dem sozialen Verantwortungsgefühl der Bauzeit ebenso gerecht wird wie der heute wiederkehrenden Sehnsucht nach „andersartigen“ Räumen.

AUSSTATTUNG

Im Laufe der Jahre erhielt die Andreaskirche eine – für das evangelische Westfalen der Nachkriegsjahrzehnte ungewöhnlich reiche – künstlerische Ausstattung. An der Altarwand gestaltete der Bildhauer Werner Habig (1924-91) eine Backsteinstruktur, deren Kreuzform seine Tochter Eva Kuhl (geb. 1955) nachträglich durch Bronzestäbe verstärkte. Für die Hauptstücke Altartisch, Lesepult, Taufbecken und die Altarleuchter konnte der Künstler Wolfgang Kreutter (1924-89) gewonnen werden. Von den programmatisch bescheidenen Anfängen der Gemeinde zeugt heute noch der Turmraum, wo das Holzkreuz (1968) der Kirchenbaracke, eines provisorischen Vorgängerbaus, aufbewahrt wird.

FENSTER

Seit 1985 setzte man in der Andreaskirche stufenweise die Entwürfe des bekannten Glasgestalters Johannes Schreiter (geb. 1930) um. Das Tauf- sowie das Abendmahlfenster wurden bereits im Jahre 1986 eingebaut. Die Lichtbänder im Altarraum wurden im Frühjahr 1993 fertiggestellt; im Sommer 2004 kamen schließlich die Fenster auf der Ostseite des Bühnenbereichs dazu. Damit wurde das Werk Johannes Schreiters abgeschlossen. Für die Ausführung der Fenster wurde die Glasmalerei-Werkstätte Hein Derix in Kevelaer betraut, welche einen internationalen guten Ruf hat.

DAS EHEMALIGE PFARRHAUS - HEUTE KINDERGARTEN

 

Mit Beginn des neuen Kindergartenjahrgangs im Jahr 2013 hat das ehemalige Pfarrhaus der Gemeinde seine Türen für die jüngsten Bewohner unseres Stadtteils geöffnet. Zehn zusätzliche U3-Plätze konnten mit dem Umbau des Pfarrhauses zu einer Dependance-Gruppe des Andreas-Kindergartens neu geschaffen werden. Damit nahm die evangelische Andreas-Kirchengemeinde ihre soziale Verantwortung für den stetig wachsenden Stadtteil wahr.

Knapp ein Jahr dauerten die Arbeiten, um aus dem ehemaligen Pfarrdienstsitz eine Kindergartengruppe zu machen. Das Ergebnis: Wo einst klare Linienführungen den Einrichtungsstil widerspiegelten, leuchten jetzt bunte Farbelemente an den Wänden; im ehemaligen Wohnzimmer ist anstelle einer Sitzgarnitur ein farbenfroher Teppich getreten. Das vormals stille Arbeitszimmer ist heute ausgestattet mit blauen Tobe-Matten. Deutlich ruhiger geht es im Obergeschoss zu: hier ist ein Schlafraum für die Kinder eingerichtet. Dazu gibt es dort ein Besprechungszimmer für das Team des Kindergartens sowie ein Beratungszimmer für Elterngespräche.

 

DER NEUE KIRCHPLATZ

 

Mit dem Bau der Seniorenwohnanlage der Diakonie Münster entstand der neue Kirchplatz unserer Gemeinde im Herzen von Coerde. „Wir hatten eine große Fläche, aber keinen richtigen Platz“, beschreibt Pfarrer Frank Beckmann die Situation vor der Entstehung. Umsäumt wird der Platz vom Familienzentrum evangelischer Andreas-Kindergarten, der U3-Dependance im ehemaligen Pfarrhaus sowie dem Haus der offenen Tür für die Jugend.

 

PFARRER JÜRGEN HÜLSMANN

Tief betroffen nimmt die Evangelische Andreas-Kirchengemeinde Abschied von Pfarrer Jürgen Hülsmann, der am 23. November 2021 im Alter von 81 Jahren verstarb.

Mehr als 35 Jahre hat Pfarrer Jürgen Hülsmann das Leben der Gemeinde geprägt. Die befreiende Botschaft des Evangeliums und die christliche Verantwortung für die Versöhnung unter den Menschen gehörten zu den Kernsätzen seines unerschütterlichen Glaubens.

Nach seinem Studium trat Jürgen Hülsmann ein Auslandsvikariat in der Londoner Gemeinde Sydenham an. 1967 wurde er in den Coerder Bezirk der Ev. Markus-Kirchengemeinde Kinderhaus-Coerde entsandt. 1969 erfolgte die Ordination in dem von ihm liebevoll “Barackenkirche“ genannten hölzernen Vorgängerbau der heutigen Andreas-Kirche.

In dem jungen Stadtteil Coerde lag ihm der Aufbau einer evangelischen Gemeinde am Herzen. Dabei zeigte er Mut und Entschlossenheit, auch unkonventionelle Wege zu gehen. Bereits in den ersten Amtsjahren entwickelte Jürgen Hülsmann das Modell der „Praxiszelle“, bei der Theologiestudenten – gemeinschaftlich wohnend – in der Gemeinde mitarbeiteten.

Auf seine Initiative wurde mit dem HOT-Coerde die erste Offene Jugendeinrichtung in kirchlicher Trägerschaft in Münster geschaffen und mit der Errichtung des Andreas-Kirchenzentrums wurden von ihm neue Wege des Kirchenbaus beschritten, bei denen die Grenzen zwischen Sakralem und Säkularem eine bewusst fließende architektonische Gestaltung fanden. Dabei stellte sich Jürgen Hülsmann stets der öffentlichen Diskussion – etwa bei der künstlerischen Ausstattung der Kirchenfenster oder beim Erwerb einer digitalen Orgel.

Bei aller Offenheit für das Neue blieb Jürgen Hülsmann tief in der christlichen Tradition verwurzelt.

Weit über die Gemeinde hinaus sprach er Menschen mit seinen Pilgerreisen ins Heilige Land und in seinen Studienreisen zu besonderen Stätten der Geschichte und Kultur des Christentums an, die er gemeinsam mit seiner Frau Gislint plante und begleitete.

Eine Herzensangelegenheit war ihm die Versöhnung von Juden und Christen und sein Engagement gegen Radikalismus und Fremdenhass. Über viele Jahre hatte er den Vorsitz in der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit inne. Für sein gesellschaftliches Engagement verlieh ihm die Stadt Münster die Paulus-Plakette.

Vielen Menschen bleibt Jürgen Hülsmann als brillanter Redner, vor allem aber als begnadeter Prediger in Erinnerung. Unzählige ehemalige Konfirmandinnen und Konfirmanden wissen sich bis heute mit „ihrem Pfarrer“ verbunden. Der Ev. Kirchenkreis Münster und die Ev. Andreas-Kirchengemeinde werden Pfarrer Jürgen Hülsmann vermissen und sind in Gedanken bei seiner Familie.